Is Perceiving Speech Perceiving Gestures? The Role of the Motor System in Phoneme Perception

Viktoria Groiss

Sprache ist nicht nur Sprechen, sondern auch Wahrnehmen von Gesprochenem.

Traditionell wurden diesen beiden Prozessen unterschiedliche Hirnareale zugesprochen. Doch das Lautbild, das wir beim Sprechen produzieren und das, das wir beim Hören verarbeiten, sind untrennbar miteinander verbunden, allein schon, weil wir unsere eigene Stimme beim Sprechen auch gleichzeitig wahrnehmen. Heute gehen wir also weniger von strikt getrennten Hirnarealen aus und nehmen potenziell überlappende Netzwerke für die beiden Prozesse an.

In der Studie „Is Perceiving Speech Perceiving Gestures?” haben wir erforscht, ob unsere Artikulationsorgane (Lippen, Zunge etc.) bzw. die damit verbundenen Hirnareale nicht nur für die Produktion, sondern auch für die Wahrnehmung einzelner Sprachlaute („Phoneme“) eine Rolle spielen. Hierfür haben wir erwachsene Proband*innen gebeten ein Holzstäbchen im Mund zu halten und mit der Zunge nach oben zu drücken, sodass es ungefähr der Aussprache von „ü“ entspricht. Anschließend wurden den Proband*innen Laute präsentiert, die zwischen zwei typischen Sprachlauten lagen (z.B. zwischen „i“ und „ü“). Unsere Probanden haben dann über Knopfdruck mitgeteilt, ob sie eher den einen oder den anderen Sprachlaut wahrgenommen haben. Aus diesen Daten konnten wir eine „Phonemgrenze“ errechnen, also jenen Punkt, an dem die Wahrnehmung von einem Sprachlaut zum anderen kippt.

Der Vergleich dieser Phonemgrenzen mit jenen, die ohne oder unter anderer Ablenkung gemessen wurden, zeigte keinen signifikanten Unterschied. Allerdings waren die Reaktionszeiten der Proband*innen verlangsamt, wenn sie das Holzstäbchen im Mund halten mussten. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die artikulatorischen Areale des Gehirns eine merkbare Rolle in der Sprachwahrnehmung einnehmen. Es ist aber denkbar, dass sie den Wahrnehmungsprozess soweit „stören“ können, dass es zu einer längeren Verarbeitungszeit kommt.